Schutzmannschaftsbataillon 206

  • Guten Abend!

    Ich suche Informationen zum Schutzmannschaft-Bataillon 206. Mein Opa gehörte zu den sog. weißen Jahrgängen und wurde zur Reservepolizei in Kassel eingezogen. 1940 war er im Polizei-Bataillon 91, was auch einen mehrmonatigem Aufenthalt in Norwegen bedeutete. Dann sind Briefe von ihm aus Krakau erhalten aus den Jahren 1943 und 1944 mit der Feldpostnummer 29998 und einem Briefsstempel "GENERALGOUVERNEMENT * SCHUTZMANNSCHAFTSBATL. 206" . Gegen Ende des Krieges im April 1945 war er auf Urlaub in Kassel und tragischerweise ist eine Anordnung, "er solle sich fortan in der Kasseler Polizeidienststelle melden, da sein Schumabataillon aufgelöst worden sei" nicht mehr rechtzeitig zugestellt worden. Das hatte zur Folge, dass er Kassel wieder Richtung Osten verließ. Aus dem Eisenbahnzug heraus wurde er dem Polizei-Bat. "König" zugeordnet, das zur Verteidigung Breslaus eingesetzt wurde. Von dort stammt auch sein letztes Lebenszeichen.

    Mich würden zuerst einmal weitere Informationen, Quellenhinweise zum Schumabataillon 206 interessieren, auch zu Aufgaben und Tätigkeitsbereichen.

    Weitere Infos zum Pol.Btl. 91 sind auch gerne gesehen, oder sollte ich dazu besser einen eigenen Thread aufmachen?

    Vielen Dank vorab.
    Beste Grüße
    Armin

  • Hallo Armin

    ein herzliches Willkommen hier im Forum.

    Du hast ja eigentlich schon sehr detaillierte Angaben vorliegen, woher stammen sie denn genau? Nur aus den Feldpostbriefen?
    Wäre es irgendwie möglich sämtliche relevanten Dokumente (z.B. Feldpostbriefe, Fotos, Anordnungen usw.) zum Schuma-Btl. 206 einzuscannen und hier einzustellen? Unsere Fachleute können da doch mehr herauslesen. Die persönlichen Daten, sollten sie vorhanden sein, könntest du ja notfalls schwärzen.

    Das Pol.Btl. 91 bitte hier nicht behandeln und gegebenenfalls einen neuen Thread dazu eröffnen. Informationen zur Einheit wären hier reichlicher vorhanden.

    Von unserem Forumsmitglied RolandP habe ich mal etwas zur gesuchten Einheit herausgesucht. Das Schuma-Btl. 206 gehört aber bisher noch zu den unerfoschten Verbänden der dt. Ordnungspolizei. Dein Opa scheint beim dt. Rahmenpersonal gewesen zu sein, welches vom I./Pol.Rgt. 8 (ehemals Pol.Btl. 91) zum Bataillon kam.

    Schutzmannschaft-Bataillon 206 (ukrainisches)

    25.08.1943
    Der Chef der Ordnungspolizei Kdo I O (3) 1 Nr. 508/43, Berlin, den 25.August 1943
    Fernschreiben an
    die Befehlshaber der Ordnungspolizei in Krakau, Prag und Nimwegen,
    die Polizeiverwaltungen in Berlin und Koblenz,
    die Polizei-Waffenschule IV,
    das I./SS-Pol. 8 ) über Befehlshaber der
    das Pol.-Schützen-Rgt. 36 ) Ordnungspolizei Prag

    Betr.: Aufstellung des Schutzmannschaftsbatl. 206 im Generalgouvernement
    Bezug: Erlass vom 16.8.43 – O-Kdo I O (1) 1 Nr. 138/43

    In Abänderung des o.a. Erlasses werden für das neuaufzustellende Schutzm.Batl. 206 nicht 44, sondern nur 35 Unterführer gestellt. Diese Unterführer stellt nicht die Pol.-Waffenschule IV, sondern
    a) I./SS-Pol 8 25 Unterführer
    darunter 9 zum Zugführer geignet,
    b) die Pol.Verw. Berlin 10 Unterführer
    darunter keine Meisterdienstgrade.
    Die Bewaffnung und Ausrüstung der Unterführer hat durch die Heimatdienststellen zu erfolgen.
    Es sind mitzugeben:
    1 Pistole 08 btw. 7,65 mm,
    1 Seitengewehr
    Belegwechsel mit dem Befehlshaber der Ordnungspolizei Krakau ist durchzuführen
    1.) für die Unterführer zu a) von der Heimatdienststelle des I./SS-Pol. 8,
    2.) für die Männer zu b) von der Pol.Verw. Berlin.
    Von den beim I./SS-Pol 8 befindlichen Pferden sind 15 zum Schutzm.Batl. 206 mitzufohren, der Rest ist an das Pol.-Schützen-Rgt 36 zu übergeben.
    Die abzuordnenden Unterführer sind umgehend zum Befehlshaber der Ordnungspolizei Krakau in Marsch zu setzen.
    Die Abgabe der Unterführer und Pferde vom I./SS-Pol 8 zum Pol.-Schützen-Btl. 206 (so im Original!) ist im geschlossenen Transport durchzuführen. Anmeldung durch Hauptamt Ordnungspolizei Ib/TO, dem hierzu die genaue Verladestärke und der Verladebahnhif und später die zugewiesene Transportnummer und die erfolgte Inmarschsetzung zu melden ist.
    Pol.Verw. Berlin setzt die Unterführer in eigener Zuständigkeit als Einzelreisende in Marsch.

    Zusatz für Pol.-Waffenschule IV:
    Auf FS N. 183 vom 23.8.43
    Im Auftrage gez. Flade. (MfS, HA XX Band 4614, BSTU 0118)

    19.10.1943
    Unternehmen „Brüll“ v. 19. – 29.10.1943 im Raum Zaklikowsko – Krasnik
    Eingesetzt: Landesschützen, Pol.Rgt. 25, SS-Pol.Btl. 206
    ("Europa unterm Hakenkreuz Polen", Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1989, Tabelle 18 Die wichtigsten Antipartisanenaktionen der Okkupanten im GG von 1943 bis 1944, S. 386- 388, hier S. 386, Andreas Rosenstein, 24.4.2011)

    06.11.1943
    Unternehmen „Ulanen“ v. 6. – 7.11.1943 im Raum Dabrowka – Jaroslaw
    Eingesetzt: Landesschützen, SS-Pol.Rgt 23, SS-Pol.Btl. 206
    ("Europa unterm Hakenkreuz Polen", Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1989, Tabelle 18 Die wichtigsten Antipartisanenaktionen der Okkupanten im GG von 1943 bis 1944, S. 386- 388, hier S. 386, Andreas Rosenstein, 24.4.2011)

    19.12.1943
    Unternehmen „Sonnenschein“ am 19.12.1943 im Raum Dabrowka – Bilgoraj
    Eingesetzt: Landesschützen, SS-Pol.Btl. 206
    ("Europa unterm Hakenkreuz Polen", Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1989, Tabelle 18 Die wichtigsten Antipartisanenaktionen der Okkupanten im GG von 1943 bis 1944, S. 386- 388, hier S. 387, Andreas Rosenstein, 24.4.2011)

    Viele Grüsse Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

    Edited 2 times, last by Policeman (March 24, 2013 at 5:09 PM).

  • Hallo
    Aufgestellt am 16.08.1943 aus dem II.(ukrain.) und III.(ukrain.) Btl. des Pol.Schützen-Btl.32.
    Kdr.:
    Major d. SchP. Knolle
    Major d. SchP. Kurt Edelmann
    Major d. SchP. Marschlanka

    im April 1945 aufgelöst

    mfg Jan
    Quelle: Police and Waffen-SS in WWII unbekannter poln. Autor

    Edited once, last by Endzeit-Jan (March 24, 2013 at 6:28 PM).

  • Danke für die freundliche Aufnahme und die Informationen!

    Meine Informationen stammen fast ausschließlich aus Gesprächen mit meiner Mutter (also Opas Tochter), die ich vor ein paar Wochen führte — also noch vor dem Film „Unsere Mütter, unsere Väter" ;-). Meine Mutter hatte sich schon vor Jahren mal näher mit dem Thema Polizeibataillone beschäftigt und auch mit Experten auf diesem Gebiet gesprochen. Anlass war eigentlich immer die Frage, in welchen Bataillonen Opa seinen Dienst verrichtete und welche Aufgaben er letztlich hatte. Offiziell hieß es damals immer „Partisanenbekämpfung“, aber was fiel alles unter diesen Begriff? Übrigens hat meine Mutter dank des „Lexikons der Wehrmacht“ nun auch erfahren, warum ihr Vater als Bankangestellter überhaupt zur Reservepolizei eingezogen wurde (Stichwort: weiße Jahrgänge).

    Wenn ich Zeit finde, kann ich bei Interesse zumindest diese Gespräche hinsichtlich relevanter Informationen für das Forum auswerten, bezweifle aber ob in dieser Form wirklich neue Informationen generiert werden.

    Leider hat meine Oma vor ihrem Tod fast sämtliche Feldpost von meinem Opa entsorgt, sodass nur noch einige wenige Briefe erhalten sind, die mein Opa direkt an meine Mutter (damals um die 13) adressiert hat und die daher entsprechend privater Natur sind (Vater-Tocher-Inhalt). Aber ich werde mal sehen, was ich zusammenkratzen kann. Einscannen ist das geringste Problem.

    Ich staune immer wieder, wie viel durch gemeinsame Arbeit dank des Internet zusammengetragen werden kann!

    Bis demnächst
    Armin

  • Quote

    Original von Policeman
    Die Abgabe der Unterführer und Pferde vom I./SS-Pol 8 zum Pol.-Schützen-Btl. 206 (so im Original!) ist im geschlossenen Transport durchzuführen.

    Interessant sind ja diese unterschiedlichen Bezeichnungen.
    Pol.-Schützen-Bt. 206
    Schuma Bt. etc.

    Meine Mutter sprach zunächst immer vom Pol.-Bat. 206 bei dem ihr Vater gewesen sei. Aber die Angaben in diesem Forum zu diesen Pol.-Bat. 201-210 deckten sich nicht mit ihren Anmerkungen. Erst aufgrund der Feldpost-Stempel kam ich darauf, dass ein Schuma-Bat. doch etwas anderes ist.

    Sind eigentlich weitere mündliche Erinnerungen meiner Mutter an Aussagen ihres Vaters über seine Dienstzeit fürs Forum interessant? Das sind vermutlich die einzigen Anhaltspunkte die ich noch habe für weitere Recherchen.

    Quote

    Original von Policeman
    Dein Opa scheint beim dt. Rahmenpersonal gewesen zu sein, welches vom I./Pol.Rgt. 8 (ehemals Pol.Btl. 91) zum Bataillon kam.

    Gibt es zu diesem I./Pol.Rgt. 8 (ehemals Pol.Btl. 91) schon Threads mit näheren Informationen? Irgendwie bin ich mit der Suche nicht fündig geworden.

    Meine Mutter erwähnte, dass mein Opa auch eine Zeit lang in Frankfurt gewesen war.

  • Hallo Armin,
    hier einige kurz gefasste Angaben zum Pol.-Batl. 91:

    Das Pol.-Batl. 91 war ein Reserve-Pol.-Batl. Das bedeutet, dass es sich bei der Mannschaft überwiegend um Angehörige aus der Polizeireserve handelt, welche auf Grund einer Notverordnung zum Polizeidienst eingezogen wurden, um ursprünglich kriegsbedingte Fehlstellen auf den Polizeidienststellen zu ersetzen. Aus ihnen wurden dann aber, um den entsprechenden Bedarf an Einheiten zu decken, Batl. zusammengesellt.
    Zur Unterscheidung zu den Batl., welche aus ausgebildeten Polizisten bestanden, trugen sie die Bezeichnung "Reserve-Pol.-Batl."

    Das Pol.-Batl. 91 wurde 1939 aufgestellt, Heimatstandort war Kassel. Aus dem Gebiet Kassel rekrutierte sich auch die 1. Komp. (Daraus könnte man schließen, dass Dein Großvater in der 1. Komp. war).
    Die zweite Komp. kam aus dem Bereich Frankfurt und die 3. Komp. aus dem Bereich Weimar.
    Kompaniechef der 1. Komp. war Oberleutnant Erwin Lins (1939 - 1943).

    In Polen war das Pol.-Batl. 91 eingesetzt als IV./6 und gehörte von Oktober 1939 bis Februar 1940 zum Polizeiregiment Warschau, stationiert in Lublin.
    Ab April 1940 wird das Batl. in Norwegen an der Grenze zu Schweden eingesetzt und im Juli in Narvik.
    Om Oktober 1940 ist das Batl. in Grodno und im Mai 1942 in Brjansk.

    Im Juli 1942 wird im Bereich Rußland-Mitte für Sicherungs-Divisionen des Heeres das Pol.-Regiment 8 aus den Pol.-Batl. 91, 111 und 134 aufgestellt.
    Das Batl. I/Pol18 wird im Bereich Chotimsk im Juli 1942 eingesetzt und der Sich.-Div. 221 unterstellt.
    Im September 1942 ist das Batl. im Partisaneneinsatz in der Nähe von Rasrytoje eingesetzt, wo die 1. Komp. schwere Verluste erleidet (1 Offiz., 22 Mannschaften).
    Im August 1942 ist das Batl. in Gomel und am 2. November 1942 zurück in Grodno.
    Januar 1943 wird das Regiment im Kampf aufgerieben. Die überlebenden Angehörigen des I./Pol 18 werden dem Polizei-Schützen-Rgt. 36 zugewiesen.

    Heimatstandort des Pol.-Rgt. 8 war Wiesbaden, für das ehemalige Pol.-Batl. 91 (jetzt I./Pol.Rgt. 8) wurde Koblenz Heimatstandort.
    Daher richtet sich das von Daniel eingestellt Fernschreiben zum Aufstellen des Schuma-Batl. 206 auch an die Polizeiverwaltung Koblenz, denn das I./Pol 18 hatte ja 25 Unterführer zu stellen.

    Quelle: Police battailons of the Third Reich, Stephen E. Campbell

    Das solls mal für heute gewesen sein.

    Herzlichen Gruß
    dieter

  • Hallo Dieter,
    vielen dank für die für mich zum größten Teil neuen und detaillierten Angaben zu den Einsatzorten.

    Ich habe jetzt einen eigenen Thread zum Pol.-Batl. 91 aufgemacht und deine Angaben dort zitiert. Zusätzlich habe ich ein ein, zwei Dokumente meines Großvaters zur Einberufung in die Kasseler Reserve-Polzei und einen Dienstnachweis für die Zeit in Norwegen aufgespürt, die ich - sobald ich Zeit finde - dort als Scan hochladen kann (falls hier generell Interesse für so etwas besteht?). Wie wird dies hier gehandhabt? Interessanterweise steht in diesem Dienstnachweis als Zugehörigkeit 2. Kompanie und nicht 1., wie von Dir vermutet. Ändert dies was an den Einsatzorten? Können dann gerne im anderen Thread weiterdiskutieren.. ;)

    Viele Grüße
    Armin

  • Hallo Armin,

    Interesse am Einstzellen von Dokumenten besteht immer, da durch sie oft Bestätigungen von Sekundärquellen erfolgen bzw. sie Mosaiksteine darstellen.

    Meine Vermutung, dass Dein Großvater in der 1. Komp. war, bezog sich auf die Rekrutierung der Polizei Kassel, zu der er ja gehörte.
    Dies ist natürlich kein Beweis. Er kann ja auf Grund einer bestimmten Funktion, welche in der 2. Komp. besetzt werden mußte, dorthin umgesetzt worden sein. Aber auch das ist Spekulation.

    Dies ändert grundsätzlich nichts an den Einsatzorten, da oft das ganze Batl. eingesetzt war. Allerdings waren die Kompaniien auch teilweise an unterschiedlichen Orten stationiert, was dann auch zu unterschiedlichen Einsätzen führen kann. Dies ist dann aber im Einzelfall zu recherchieren.

    Herzlichen Gruß
    Dieter

  • Hallo,

    eine kleine Randnotiz.

    Laut eines Tagesbefehls des BdO Krakau vom 15.10.1944 waren derzeit vom Schutzmannschafts-Bataillon 206 insgesamt 36 ukrainische Schutzmänner flüchtig, 20 Mann von der 1. Kompanie und 16 Mann von der 2. Kompanie. Ihre Dienstausweise wurden daher für ungültig erklärt.

    Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Hallo,

    ergänzend.

    Gemäß Erlass vom 16.08.1943 war aus den vom Polizei-Schützen-Regiment 32 angeworbenen Ukrainern das Schutzmannschafts-Bataillon 206 in einer Stärke von 450 Mann aufgestellt worden. Hinzu traten an reichsdeutschen Kräften 4 Offiziere und 35 Unterführer. Das Bataillon war seit 30.08.1943 mit 2 Kompanien - Stärke 300 Mann - zur Bewachung des Zwangsarbeitslagers Szebnie, Bahnstation Moderowka bei Jaslo, und mit 1 Kompanie - Stärke 150 Mann - zuzuglüch der deustchen Führer und Unterführer - zur Bewachung des Zwangsarbeitslagers Plaszow bei Krakau eingesetzt.

    (Quelle: Ersichtlich aus Schreiben, Der HSSPF im Generalguvernement - BdO an den RFSS, Betr.: Zuteilung von Pol.-Verw.-Beamten für das Schuma-Batl. 206, Krakau, den 03.09.1943)

    Zum im Dokument erwähnten Zwangsarbeitslager Plaszow siehe bitte hier: https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Plaszow

    Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly